Der Mädchenkrieg - aus einem Gespräch mit den Regisseuren

Alf Brustellin und Bernhard Sinkel: Wir wollten diese Geschichte erzählen: von Mädchen, die etwas anderes, viel Faszinierenderes können, als nur irgendwie einzustimmen in den kollektiven Irrsinn, der damals Geschichte machte. Sie nehmen ihre eigenen, ganz privaten Interessen ernster als jeden geschichtsträchtigen Coup einer Männerwelt. Sie sind so radikal selbstbezogen, dass sie gar keine Zeit haben, sich auf die Massenhysterie nebenan, die Angst und den Schrecken rundherum einzulassen. Wir mochten diese Mädchen so sehr, dass wir uns weigerten, sie zu kritisieren. Wir konnten nicht anders, als sie mit all ihren verständlichen oder auch merkwürdigen Gefühlen, Motiven und Handlungen leben zu lassen, wir haben versucht, sie, auch wenn es unmöglich schien, mit Sympathie zu zeichnen, mit Verständnis auszustatten. Wir wollten nicht über sie richten, das kann unser Publikum tun.

Wir wollten diese Mädchen nicht zu Trägern heutiger oder auch damaliger Emanzipationsideen und -schwierigkeiten machen. Wir wollten auch nicht die Rolle der Frau in schwerer Zeit irgendwie exemplarisch oder originell abhandeln - etwa in dreifacher Variation (a. Christine, b. Sophie, c. Katharina). Das schien uns männlich-verräterisch gegenüber der Lebendigkeit dieser radikalen, verrückten, verliebten, intelligenten und widersprüchlichen Weiber. So haben wir jeden Augenblick auf ihre eigensinnige Lebendigkeit gesetzt. Falls sich exemplarische Gedanken zu ihrer Existenz am Ende doch einstellen, so ist das sicherlich kein Fehler.

Wir wollten zeigen, wie eine einigermaßen hemmungslose Selbstverwirklichung sich schön und frei sinnlich anlässt, um langsam aber sicher durch die von Männern gemachte Geschichte eingeholt, zerstört, unmöglich gemacht zu werden. (Wir wollten aber auch, dass am Ende sich etwas einstellt von dem Gefühl: auf ein neues!) Und wir haben trotz der Zerstörung von Mädchenträumen durch Männer und Gesellschaft, Geld, Politik und Krieg gewissermaßen einen Rollentausch versucht: in unserem Film sollten ganz deutlich die Mädchen die handelnden, treibenden, verführenden, Geschichten machenden Wesen sein und die Männer diejenigen, die  mit schönen feuchten Augen das Leben mit sich geschehen lassen ... und dabei sollten natürlich Mädchen Mädchen bleiben und Männer Männer. Klar, das Problem ist ein dramaturgisches, kein transvestitisches. Wir wollten einen Film machen, der die Menschen wichtiger nimmt als die Geschichte, die über sie verhängt wird - die Geschichte Prags in diesen zehn Jahren von 1936 bis 1946 irgendwie zu vertuschen. (Aber es hätte keinen Sinn gehabt, historische Großereignisse von Tragweite, Problematik und Brutalität wie z.B. das Heydrich-Attentat und dessen Folgen sozusagen am Rande in diese sehr privaten Geschichten einfließen zu lassen.) „Der Mädchenkrieg" ist kein Historienfilm, sondern die Geschichte einer Familie, deren Untergang die Historie bewirkt.

Wir wollten die Geschichte des „Mädchenkriegs" mit unbekannten Schauspielern besetzen. Das hat nichts mit irgendeiner Ideologie zu tun, sondern - unter anderem - einfach damit, dass es nahezu unmöglich ist, in der uns erreichbaren Prominenz von etwa 21-jährigen Schauspielerinnen drei absolut gleichwertige Besetzungen zu finden - wir wollten auf keinen Fall, dass irgendeines der drei Mädchen auf Kosten der beiden anderen in den Vordergrund tritt. Wir wollten eine große Geschichte groß erzählen - aber ohne Pathos. Wir hoffen, dass uns das gelungen ist.

Aus einem Gespräch mit Frauke Hanck.